Kunsthistorische Gattungsraster helfen nur bedingt, die ästhetischen, die wahrnehmbaren Phänomene der Werke des Künstlers Nico Mares zu kommunizieren. Weder Begriffe wie informell noch action painting, wie Schüttbilder oder psychedelische Malerei treffen die eigenständigen Bildwelten, weder die Scheidung in figurativ oder nichtfigurativ, in narrativ oder nichtnarrativ helfen, Orientierung zu erlangen. Eher sind Beschreibungshilfen im Bereich von vermeintlich abstrakt vorstellbaren Phänomenen mit konkreten Auswirkungen oder in psychoformen Vorstellungen zu finden: von Explosionen oder Implosionen könnte man sprechen, wenn man denn eine an Wirklichkeitserfahrungen verifizierbare Vorstellung von einer Explosion oder einer Implosion hätte. Auch von Eruptionen könnten diese Bilder handeln. Vor allem aber sind es offenbar Traumwelten, Angstvorstellungen, Visionen, innere Traumbilder… vorbildlose Bilder, Bilder vor Abbildern – eben Vor-Bilder.
Denn, hat man sich einmal auf die Bildwelten von Nico Mares eingelassen, wenden sich die Bilder in vorgestellte Bilder von Zusehendem, das wir bisweilen sogar zu kennen glauben, das wir aber nur höchst selten außerbildlich mit Gegenstandbezügen bezeichnen können. Seinen früheren Werken sind noch Abbilder von Oktopoden und Panzern gleichsam gegenständlich zu entnehmen. Seine neusten Werke verweigern jedwede derartige Zuschreibung von Formen. Doch auch in seinen früheren Werken gehen diese Figuren schon „unter“ in reinen Farbwelten. Zwar wäre bisweilen noch von einem Wasser zu sprechen, indem sich ein Octopus aufhält, oder von einer Landschaft, in der ein Panzer steht. Doch wird von diesen Gegenständen abstrahiert, so tritt man ein in eben eine „nur noch“ abstrakte, nur bildlich existierende Welt von Farbe (color und paint), die jeden Betrachter folglich auch „nur noch“ auf seine je eigenen Füße stellt.
So steht der Bildbetrachter vor den Bildern Nico Mares´ wie der Mönch am Meer bei Caspar David Friedrich vor der Unendlichkeit von Strand, Meer und Horizont, der visuellen Unbegreifbarkeit von nie erreichbarer Ferne und unnahbarer Nähe. Das Unbegreifbare, das Nichtbezeichenbare, das Nieerreichbare der Bilder von Nico Mares ist es, was sie so betörend sein lassen. Vor ihnen versagt Sprache. Vor ihnen versagen Erfahrung und Verbalisierungsvirtuosität. Vor ihnen steht jeder Betrachter allein – so zurückgeworfen auf seine eigenen inneren Bildwelten, wie der Künstler vor der noch unberührten Leinwand als Projektionsfläche seiner zu entäußernden Bildwelten.
Raimund Stecker, Düsseldorf